Die Einbindung fremder Werke in die eigene Werbung
Ein Beitrag von RA Dr. Kaya Köklü
Zur Qualifizierung eines mitverwerteten Werkes als „unwesentliches Beiwerk“ im Sinne von § 57 UrhG und die Folgen der strengen Rechtsprechung für Werbende.
Wer kennt sie nicht, die Angebote von Maklern und Bauträgern, die in aufwendigen Präsentationen mit ansprechenden Möbeldesignklassikern eingerichtete Haus- und Wohnungsprojekte bewerben? Oder Unternehmen aus der Fashionbranche, die (selbst oder durch Influencer) ihre Produkte im Glanze von geschickt im Hintergrund eingebundenen Kunstwerken verschiedenster Stilrichtungen in Szene setzen? In der Praxis ist solche Werbung insbesondere in den zu Werbezwecken immer stärker genutzten Sozialen Medien anzutreffen, allen voran auf Bild- und Videoplattformen.
All dieser Werbung ist gemein, dass im Zentrum der Aufmerksamkeit stets das eigene beworbene Produkt steht – also beispielsweise die Immobilie, das Kleidungsstück oder der Schmuck, im Hintergrund jedoch ein oder mehrere urheberrechtlich geschützte Werke eingebunden werden. In manchen Fällen ist das im Hintergrund einer solchen Werbung eingebundene Werk nur gerade so erkennbar.
Auf den ersten Blick liegt es daher nicht fern, etwaige lediglich im Hintergrund eingebundene (urheberrechtlich geschützte) Werke als bloßes Beiwerk für den eigentlich beworbenen Hauptgegenstand ohne eigene rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung zu würdigen. Dies scheint zumindest eine weitverbreitete Auffassung einiger Berufsgruppen und Wirtschaftszweige zu sein, die teils davon ausgehen, dass eine untergeordnete Einbindung von urheberrechtlich geschützten Werken in die Bewerbung eines Hauptgegenstandes auch ohne Zustimmung des Rechteinhabers rechtlich zulässig ist. Untermauert wird diese Auffassung nicht selten mit dem Argument, dass das im Hintergrund der Werbung eingebundene und damit mitverwertete Werk aus der Sicht des Verwenders ohne weiteres austauschbar sei und in keiner unmittelbaren Beziehung zu dem eigentlich beworbenen Produkt steht.
Eine solche Auffassung kommt allerdings zu kurz und ist kaum mehr vertretbar. Zwar ist richtig, dass § 57 UrhG für „unwesentliche Beiwerke“ eine gesetzliche und damit zustimmungsfreie Nutzungserlaubnis vorsieht. Allerdings sind dieser Schranke – anders als die Bezeichnung „unwesentliches Beiwerk“ zunächst vermuten lässt – spätestens seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs „Möbelkatalog“ (BGH, Urteil v. 17.11.2014 – I ZR 177/13) enge Grenzen gesetzt.
Um von der Schranke des § 57 UrhG profitieren zu können, reicht es nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht mehr aus, lediglich darzulegen, dass das meist im Hintergrund der Werbemaßnahme eingebundene Werk auch ohne Weiteres hätte weggelassen oder ausgetauscht werden können. Die bloße untergeordnete Bedeutung des eingebundenen und mitverwerteten Werkes im Verhältnis zum eigentlich beworbenen Hauptgegenstand ist damit für die Anwendbarkeit von § 57 UrhG nicht mehr ausreichend. Vielmehr ist vom Verwender, der sich erfolgreich auf diese Schutzschranke berufen möchte, darzulegen, dass die Einbindung des mitverwerteten Werkes auch zufällig und ohne jede inhaltliche Beziehung zu dem im Vordergrund stehenden Hauptgegenstand erfolgt ist. Davon ist wiederum nur dann auszugehen, wenn das eingebundene Werk die Gesamtwirkung des beworbenen Hauptgegenstandes in keiner Weise beeinflusst. Eine zufällige und beliebige Einbindung eines Werkes als unwesentliches Beiwerk ist damit jedenfalls dann abzulehnen, wenn dem eingebundenen und mitverwerteten Werk erkennbar eine eigene stil- oder stimmungsbildende Wirkung zukommt. In solchen Fällen, so der Bundesgerichtshof, könne jedenfalls nicht mehr von einer nur noch „beiläufigen Einbeziehung“ im Sinne von Art. 5 III Buchst. i) RL 2001/29/EG ausgegangen werden.
Bei der Beurteilung, ob es bei der Einbindung eines Werkes um ein „unwesentliches Beiwerk“ im Sinne von § 57 UrhG handelt, bedarf es folglich der Prüfung, ob die Auswahl des mitverwerteten Werkes beliebig und zufällig erfolgt ist bzw. ob mit Blick auf den beworbenen Hauptgegenstand nicht doch auch die Bekanntheit, der gute Ruf bei den angesprochenen Verkehrskreisen oder vergleichbare stimmungsbildende Wirkungen des mitverwerteten Werkes eine Rolle bei dessen Auswahl gespielt haben.
Das regelmäßig angeführte Argument der bloßen Austauschbarkeit des mitverwendeten Werkes steht zumindest bei Werbemaßnahmen damit nicht mehr im Vordergrund. Es geht nämlich weniger um die Frage, ob der Verwender auch andere ähnliche (Bei-)Werke genauso gut hätte verwenden können. Nein, entscheidend ist vielmehr die Antwort auf die Frage, ob die konkrete Einbindung des urheberrechtlich geschützten Werkes ohne jeden den Hauptgegenstand der Werbemaßnahme fördernden Zweck erfolgt ist.
Erst bei einer nicht mit stil- oder stimmungsbildenden Zwecken und Wirkungen erfolgten Auswahl des mitverwendeten (Bei-)Werks wird im Lichte der Rechtsprechung von einer „unwesentlichen“ Einbindung im Sinne des § 57 UrhG auszugehen sein. Denkbar dürften hier insbesondere solche Fälle sein, in denen das eingebundene Werk kaum erkennbar ist und bereits aus diesem Umstand jedwede Wirkung im Rahmen der Bewerbung für den Hauptgegenstand praktisch ausgeschlossen scheint.
Im Umkehrschluss ist damit eine Einbindung von mitverwerteten Werken im Sinne von § 57 UrhG selbst bei etwaiger Austauschbarkeit des Werkes aber ausgeschlossen, wenn eine Motivation erkennbar ist, das im Vordergrund stehende Produkt im Lichte des Beiwerks aufzuwerten oder sonst in irgendeiner Weise zu beeinflussen.
Diese doch recht einschränkende Auslegung von § 57 UrhG mag man aus akademischer Sicht für gerechtfertigt halten oder auch kritisieren. In der Praxis hat sie aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung jedoch Bindungswirkung für die Instanzgerichte und damit erhebliche Auswirkungen für die betroffenen Wirtschaftskreise.
Die eingangs bereits erwähnten Makler und Bauträger werden sich in aller Regel nicht mehr auf die Schutzschranke von § 57 UrhG berufen können, sollten sie die Bewerbung ihrer Immobilienprojekte weiterhin durch Einrichtungen mit Designklassikern aus der Bauhauszeit aufzuwerten versuchen. Selbst wenn die Einbindung solcher urheberrechtlich geschützten Möbel lediglich untergeordnet im Hintergrund erfolgt und die Immobilie als solche weiterhin im Vordergrund der Werbeaussage steht, wird eine Stilbildung und Aufwertung mit der Bekanntheit der Designklassiker trotz grundsätzlicher Austauschbarkeit kaum mehr von der Hand zu weisen sein.
Auch die Modebranche wird Vorsicht walten lassen müssen. In der Regel werden Sets für Bild- und Videoaufnahmen durch Designer ganz bewusst zusammengestellt. Dass hierbei ein urheberrechtlich geschütztes Werk eines Dritten seinen Weg in das Setting gefunden hat, ohne dass damit eine konkrete stilprägende Aussage verbunden wird, kann in einem Streitfall vermutlich nur noch in Ausnahmefällen erfolgreich geltend gemacht werden.
Fallstricke können sich hierbei auch für Influencer ergeben, die in Sozialen Medien für Produkte Dritter Werbung betreiben. Werden dabei auf ihren Bildern und Videos urheberrechtlich geschützte Werke Dritter eingebunden und folglich mitverwertet – auch wenn dies nur untergeordnet im Hintergrund geschieht – wird stets zu prüfen sein, ob die strengen und durch die Rechtsprechung eng ausgelegten Voraussetzungen von § 57 UrhG noch erfüllt sind.
Grundsätzlich dürfte dabei gelten, dass – anders als früher – die Mitverwertung von urheberrechtlich geschützten Werken für die Bewerbung eines anderen Hauptgegenstandes nur noch selten als „unwesentliches Beiwerk“ im Sinne des § 57 UrhG angesehen werden dürfte. Sofern auch keine anderen gesetzlichen Nutzungserlaubnisse greifen (denkbar ist je nach Einzelfall beispielsweise die gesetzlich erlaubte Nutzung von Werken an öffentlichen Plätzen, § 59 UrhG), wird ein Verwender gut beraten sein, sich um eine Rechteeinräumung zu kümmern, sofern er das Risiko einer Inanspruchnahme wegen Urheberrechtsverletzung ausschließen möchte.
Für die künftige Gestaltung von Werbung mag dieser Rat an die vornehmlich betroffenen Branchen hinreichend sein und deren rechtliches Gespür schärfen. Allerdings wird es den Werbenden nicht ausreichen, nur ihre zukünftigen Werbemaßnahmen einer strengeren Prüfung zu unterziehen. Denn rechtliche Auseinandersetzungen drohen auch für längst vergangene Werbemaßnahmen, sofern diese noch online abrufbar und damit öffentlich zugänglich sind. Denn das Internet vergisst nicht. Auch Werbemaßnahmen aus der Vergangenheit, die im Lichte der heutigen Auslegung von § 57 UrhG kritisch zu würdigen sind, bleiben in der Praxis häufig online abrufbar und können von Rechteinhabern aufgefunden werden, sei es auf Webseiten oder Social Media Accounts.
Deshalb sind Werbende, die in der Vergangenheit gerne mal urheberrechtlich geschützte Werke Dritter für die eigene Werbung mitverwendet haben, gut beraten, wenn sie auch ihre vergangenen Posts auf Instagram, Facebook und anderen Social Media Plattformen daraufhin prüfen, ob die jeweils eingebundenen Werke Dritter tatsächlich noch als „unwesentliches Beiwerk“ im Sinne von § 57 UrhG ausgelegt werden können. Ist dies nämlich nicht der Fall und sind auch keine anderen vertraglichen oder gesetzlichen Nutzungsrechte einschlägig, bleibt das nicht unerhebliche Risiko, auch für längst vergangene, aber noch immer abrufbare Werbemaßnahmen wegen der Verletzung von Urheberrechten in Anspruch genommen zu werden. Und das kann mitunter teuer werden – nicht nur wegen der dann anfallenden Anwaltsgebühren.
Dr. Kaya Köklü ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz in der Sozietät TIGGES Rechtsanwälte. Er ist auf wirtschaftsrechtliche Mandate aus den Bereichen des Geistigen Eigentums und des Wettbewerbsrechts spezialisiert. Er ist darüber hinaus WIPO-Schiedsrichter für internationale Domainnamenstreitigkeiten sowie Lehrbeauftragter der LMU München und der Koç University Istanbul.
2 Kommentare
Hermann-Josef Omsels
Ganz schwierig wird es, wenn die abgebildeten Gegenstände ein geschütztes Design oder Geschmacksmuster wiedergeben. Denn den Ausnahmetatbestand des unwesentlichen Beiwerks gibt es im Designrecht mit seiner eigenständigen Schrankenregelung nicht.
Kaya Köklü
Vielen Dank für den sehr richtigen Hinweis, lieber Herr Omsels. In der Tat dürfte es für Werbetreibende zumindest aus rechtlicher Sicht kaum möglich sein, Werke Dritter, die auch oder sogar nur als Design geschützt sind, ohne die Zustimmung der jeweiligen Rechteinhaber in der eigenen Werbung zu nutzen, selbst wenn dies nur im Hintergrund geschieht. In der Praxis dürfte ein solcher Fall vermutlich gar nicht so selten vorkommen, man denke nur an die vielen Immobilienprospekte, in denen bekannte Sportwagen und Luxuslimousinen vor der Garage des eigentlich beworbenen Bauprojekts geschickt platziert werden.